soziale kämpfe in chile - com historia mapuche · via jordán, alberto mayol, tomás moulian...

33
LAIKA VERLAG BIBLIOTHEK DES WIDERSTANDS Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

Upload: others

Post on 15-Mar-2020

1 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

Mit Texten von Carla Azócar, Margarita Díaz Cordal, Evelyn He-via Jordán, Alberto Mayol, Tomás Moulian Emparanza, Fernando Pairican und María José Reyes.

Mit den FilmenNostalgia de la Luz – Nostalgie des Lichts Frankreich/ Chile/Deutschland 2010 · 90 min · Regie: Patricio Guzmán

Special Circumstances Chile/USA 2006 · 72 min Regie: Marianne Teleki

Chile, ich rufe deinen Namen nicht vergebens Chile 1983 · 82 min · Regie: Collectivo Cine-Ojo

Der Fall Pinochet Frankreich/Belgien/Spanien 2001 109 min · Regie: Patricio Guzmán

Im Feuer bestanden DDR 1978 · 73 min Regie: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann

Bibliothek des Widerstands · Band 30ISBN: 978-3-942281-66-9 · 29,90 Euro LAIKA VERLAG

BIBLIothEK DES WIDERStANDS

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

in Kooperation mit

Bib

lioth

ek d

es W

ider

stan

dsB

and

30

Pos

tdik

tatu

r in

Chi

le

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

Mit Texten von Carla Azócar, Margarita Díaz Cordal, Evelyn He-via Jordán, Alberto Mayol, Tomás Moulian Emparanza, Fernando Pairican und María José Reyes.

Mit den FilmenNostalgia de la Luz – Nostalgie des Lichts Frankreich/ Chile/Deutschland 2010 · 90 min · Regie: Patricio Guzmán

Special Circumstances Chile/USA 2006 · 72 min Regie: Marianne Teleki

Chile, ich rufe deinen Namen nicht vergebens Chile 1983 · 82 min · Regie: Collectivo Cine-Ojo

Der Fall Pinochet Frankreich/Belgien/Spanien 2001 109 min · Regie: Patricio Guzmán

Im Feuer bestanden DDR 1978 · 73 min Regie: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann

Bibliothek des Widerstands · Band 30ISBN: 978-3-942281-66-9 · 29,90 Euro LAIKA VERLAG

BIBLIothEK DES WIDERStANDS

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

in Kooperation mit

Bib

lioth

ek d

es W

ider

stan

dsB

and

30

Pos

tdik

tatu

r in

Chi

le

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

Mit Texten von Carla Azócar, Margarita Díaz Cordal, Evelyn He-via Jordán, Alberto Mayol, Tomás Moulian Emparanza, Fernando Pairican und María José Reyes.

Mit den FilmenNostalgia de la Luz – Nostalgie des Lichts Frankreich/ Chile/Deutschland 2010 · 90 min · Regie: Patricio Guzmán

Special Circumstances Chile/USA 2006 · 72 min Regie: Marianne Teleki

Chile, ich rufe deinen Namen nicht vergebens Chile 1983 · 82 min · Regie: Collectivo Cine-Ojo

Der Fall Pinochet Frankreich/Belgien/Spanien 2001 109 min · Regie: Patricio Guzmán

Im Feuer bestanden DDR 1978 · 73 min Regie: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann

Bibliothek des Widerstands · Band 30ISBN: 978-3-942281-66-9 · 29,90 Euro LAIKA VERLAG

BIBLIothEK DES WIDERStANDS

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

in Kooperation mit

Bib

lioth

ek d

es W

ider

stan

dsB

and

30

Pos

tdik

tatu

r in

Chi

le

Bibliothek des Widerstands · Band 30

Herausgegeben von Willi Baer und Karl-Heinz Dellwo

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

LAIKA-Verlag

7

Inhalt

Tomás MouliánVon den Koalitionsregierungen bis zur rechten Regierung 9

Carla Azócar und Alberto MayolSoziale Bewegungen seit 2011 33

Evelyn Hevia JordánVon Kapuzenträgern und Vollversammlungen 77

Fernando PairicanDas Wiedererstarken der Mapuchebewegungen nach der Diktatur 109

María José Reyes AndreaniZusammenleben versus nationale Aussöhnung 131

Evelyn Hevia JordánProduktion eines kollektiven Gedächtnisses 161

Margarita Díaz CordalErkennen und Wiederherstellen der Subjektivität 181

Filmografie 197

Biografisches 201

Inhalt der DVDs 208

»Movimiento contra la Tortura Sebastián Acevedo« (MCTSA) »Bewegung gegen die Folter Sebastián Acevedo« war eine der wichtigsten Bewegungen gegen die Menschheitsverbrechen der Diktatur in den 1980er-Jahren.Die Bewegung benannte sich nach Sebastián Acevedo, dem Vater von Folterop-fern, der sich 1983 in Concepción im Süden Chiles selbst verbrannte. Zuvor hatte

er der Polizei ein Ultimatum gestellt, um Auskunft über den Verbleib seiner ver-schwundenen Kinder zu bekommen. Die Bewegung selbst definierte sich als ge-waltlos; gleichwohl handelten ihre Mitglieder im Bewusstsein, dass sie bei ihrem Widerstand ihr Leben riskierten. Das Foto zeigt eine Aktion der Bewegung vor dem Dom in Santiago am 4. Oktober 1988.

11

Tomás Moulián

Von den Koalitionsregierungen bis zur rechten Regierung

Ich veröffentlichte 1997 das Buch Chile Actual: Anatomía de un Mito (Chile Aktuell: Anatomie eines Mythos) und 1998 das Buch El Consumo me consume (Der Konsum frisst mich auf). Sie enthalten eine kritische Analyse des neoliberalen Kapitalismus, der in Chile durch die Militärdik-tatur eingeführt wurde. Im ersten Text habe ich behauptet, dass die Koa-

litionsregierungen1 eine Politik der Kontinuität umsetzten. Durch den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches bezog sich die These auf die ersten zwei Koali-tionsregierungen. Eigentlich galt diese Analyse nur für eine vollständige und ei-ne halbe Regierungsperioden, denn 1997 hatten einige wichtige Ereignisse noch nicht stattgefunden, wie zum Beispiel die Verhaftung Pinochets in London im Jahr 1998.

In diesem Artikel wird versucht, eine globale Analyse der letzten vierzig Jahre der chilenischen Wirklichkeit durchzuführen. Zusammenfassend geht es um die Abfolge von Ereignissen zwischen der Regierungszeit der Unidad Popular und den Koalitionsregierungen. Die gemeinsame Analyse dieser Zeiträume ist dadurch be-gründet, dass es einen engen Zusammenhang zwischen ihnen gibt. Dies bedeutet, dass die einen nicht ohne eine Analyse der anderen, zumindest in Kurzform, unter-sucht werden können.

Es ist nicht möglich, die Militärdiktatur zu verstehen, ohne die Erfolge und Niederlagen in der Regierungszeit Salvador Allendes zu kennen. Ebenso können die Koalitionsregierungen nicht ohne eine Analyse der Diktatur und ihres Erbes verstanden werden. Daher muss ein Teil dieses Artikels sich den vorhergehenden

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

12

Ereignissen widmen und sie als mittelbare und unmittelbare Vorereignisse einord-nen. Es ist zu erwarten, dass diese quasi genealogische Auffächerung der Entwick-lungen uns erlaubt, Interaktionen wahrzunehmen und die Momente zu beschreiben, wo sie sich kreuzen und verflechten, wo sie untereinander agieren. Daher ist eine globale Analyse nötig, ein Versuch dazu befindet sich auf diesen Seiten.

In diesem Artikel werden gewisse Vorgänge analysiert, die seit den Präsident-schafts- und Parlamentswahlen von 1989 bis zu den Wahlen von 2009 stattgefunden haben, letztere brachten die von Sebastián Piñera geleitete rechtsgerichtete Regie-rung an die Macht. Für ein besseres Verständnis des genannten Zeitraums müs-sen vorher einige vorangegangene Ereignisse untersucht werden. Diese können in mittelbare und unmittelbare Ereignisse unterteilt werden, je nach ihrem zeitlichen Zusammenhang. Die mittelfristigen Ereignisse beziehen sich auf die Regierungszeit der Unidad Popular, die unmittelbaren auf die der Militärdiktatur. Die Militärdik-tatur kann dabei in zwei Phasen eingeteilt werden: die terroristisch-repressive und die terroristisch-konstitutionelle Phase am Ende der Militärdiktatur, die von der Einführung der neuen Verfassung 1980 bis zur Niederlage Pinochets in der Volks-abstimmung im Oktober 1988 dauerte. Es handelt sich hier um die Phase, die den Koalitionsregierungen unmittelbar vorausging. Der Begriff »konstitutionell« darf nicht mit dem Begriff »demokratisch« verwechselt werden, da während des zweiten Zeitraums immer noch ein Präsident an der Spitze stand, der der Oberbefehlshaber der Streitkräfte und einer Militärjunta war, die sich aus den Oberkommandierenden der chilenischen Streitkräfte, der Marine und dem obersten Chef der Polizei zusam-mensetzte. Es gab keine Gewaltenteilung zwischen der Exekutive und der Legislative.

I. Die Vorgeschichte – Das Scheitern der Regierung der Unidad Popular

Wie schon erwähnt, ist es von Vorteil, zunächst die mittelfristigen Zusammenhänge zu berücksichtigen, denn aus diesen entwickelten sich die Bedingungen für eine Mi-litärdiktatur. Dieser Prozess steht im Zusammenhang mit der Regierung der Unidad Popular, genauer gesagt mit dem Scheitern dieses Experimentes. Im Verlauf dieser entscheidenden Niederlage verketten sich Elemente einer Verschwörung oder eines Komplotts mit Fehlern und Irrtümern. Diese Unterscheidung hat vor allem analyti-schen Charakter, da beide Faktoren in Beziehung stehen. Das bedeutet, dass die Ver-schwörung durch die Fehler begünstigt wurde und gleichzeitig die Fehler die konspi-rative Entwicklung förderten.

Tomás Moulián · Von den Koalitionsregierungen bis zur rechten Regierung

13

Die Verschwörung

Die Verschwörung wurde sowohl von der US-amerikanischen Regierung der als auch von politischen Vertretern der betroffenen Bereiche gefördert. Letztere fühlten sich durch die in die Praxis umgesetzten Maßnahmen und/oder durch die Diskurse der Regierungskoalition benachteiligt und handelten entsprechend. Um diesen Aspekt besser zu verstehen, ist es sinnvoll, kurz auf die umgesetzten oder geplanten zentralen Vorhaben der Regierung Salvador Allendes einzugehen, da auf diese Weise das Aus-maß der Bereiche, deren Interessen berührt wurden, ersichtlich wird.Die zentralen Vorhaben waren:

a) Verstaatlichung der Banken und Finanzgesellschaftenb) Verstaatlichung des Kupfers, zum größten Teil im Besitz US-amerikanischer

Firmenc) Intensivierung der Agrarreformd) Überführung des vorherigen Privatbesitzes enteigneter Firmen in Kollektiveigentume) Bemühungen um Teilhabe der Arbeiter an der Firmenleitung f) Versuch einer Bildungsreform über das Programm für die Nationale Gesamtschule (Escuela Nacionale Unificada – ENU)

Es handelt sich um ein sehr breit gefasstes Programm, von dessen Realisierung sich weite in- und ausländische Unternehmensbereiche beeinträchtigt fühlten. Dazu kam jener Teil der Bevölkerung, der eine starke Einbindung des durch die linken Partei-en repräsentierten Teils der Volksbewegung ablehnte. Angesichts dieser Maßnahmen trieben die Gruppen der extremen Rechten ihre konspirative Politik voran, unter an-derem das Entwenden von Grundnahrungsmitteln. Dies verursachte eine Verknap-pung, lange Schlangen von Kunden und entsprechenden Unmut. Dies geschah, weil die große Nachfrage – teilweise ein Resultat des Regierungsprogramms zur Einkom-mensumverteilung – einem veränderten Angebot gegenüberstand. Gründe für Letzte-res waren Engpässe in der Produktion, z. B. in den enteigneten Betrieben, und in sehr viel größerem Ausmaß die Manipulation des Angebots aus politischem Kalkül, wie bereits beschrieben.

Die Reichweite der von der Unidad Popular ergriffenen Maßnahmen im Ver-hältnis zu der paranoiden und konservativen Mentalität der chilenischen Rechten in dieser Zeit ermöglichen ein besseres Verständnis der Verschwörung, da die ge-nannten Maßnahmen einen großen Teil der chilenischen Unternehmer betrafen, ebenso wie die großen amerikanischen Kupferkonzerne. Außerdem brachten die

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

14

arbeiterfreundlichen Reden der chilenischen Linken große Gruppen, die von Leis-tung und vor allem von Ordnung besessen waren, gegen sie auf. Letzteren kam in der chilenischen Geschichte seit jeher großer Bedeutung zu, mit symbolträchtigen Persönlichkeiten wie dem Minister Diego Portales, der 1830 ein starkes Präsidialsys-tem installierte; dem Diktator Carlos Ibañez (1927–1931); dem Präsidenten Arturo Alessandri, der in die Ermordung von jungen aufständischen Nazis 1938 verwickelt war, oder dem Präsidenten Gabriel González Videla, der 1948 die Kommunisten ausschloss, die ihm zuvor ihre Stimmen gegeben hatten. Außerdem muss in Erwä-gung gezogen werden, dass sich die Regierung Salvador Allendes als ein Experiment eines institutionellen Übergangs zum Sozialismus verstand. Den ersten Schritt auf diesem Weg hatte man über Wahlen erreicht und es verstand sich, dass die nächsten Schritte genauso sein würden.

Diese Faktoren begünstigten die externe Verschwörung. Diese Situation ist nur anscheinend paradox. Für Nixon bedeutete die Möglichkeit eines friedlichen Über-gangs in Chile eine starke Bedrohung. Diese Haltung muss in Zusammenhang mit der Konfrontation zwischen den USA und der UdSSR verstanden werden, insbe-sondere nach dem 20. Kongress der KPdSU von 1956, auf dem Nikita Chruscht-schow eine Politik des friedlichen Übergangs verteidigt hatte. Schon vor Allendes Amtsübernahme begann die nordamerikanische Regierung mit einer Reihe eini-ger Manöver und unterstützte andere, zu denen auch die Ermordung des Generals Schneider, Oberkommandeur der Streitkräfte, zählt. Es ist bekannt, dass sich diese Einmischungen fortsetzten. Nixon bestätigte in einem seiner Gespräche mit Kissin-ger, dass »man die chilenische Wirtschaft zum Jaulen bringen« müsse. Wo es ein Ge-ständnis gibt, braucht es keine Beweise.

Die Fehler

Abgesehen von der Verschwörung müssen die durch die Regierung der Unidad Popu-lar begangenen Fehler aufgezeigt werden, an denen sowohl der Präsident als auch die linken Parteien beteiligt waren.Bei den Fehlern der Unidad Popular lassen sich drei Hauptaspekte erkennen:

a) fehlende Einheit in der Regierungskoalitionb) Unfähigkeit, die Allianz auf die Parteien der Mitte, die Christdemokratie auszuweitenc) Versäumnis, den Sozialismus als politisches, soziales und kulturelles System weiterzuentwickeln, was bekanntlich das angestrebte Ziel war

Tomás Moulián · Von den Koalitionsregierungen bis zur rechten Regierung

15

Der erste Fehler, die brüchige Einheit der Koalition, hatte gewichtige Auswirkungen. Das Problem bestand in der Existenz von verschiedenen Positionen zwischen den Hauptparteien der Koalition, insbesondere zwischen der Kommunistischen und der Sozialistischen Partei bezüglich des Umfangs der Regierungsaufgaben und des Cha-rakters der Revolution, die in die Praxis umgesetzt werden sollte. Die Kommunisten hatten, insbesondere am Ende der fünfziger Jahre, die These der nationalen Befrei-ungsfronten aufgebracht. Aus dieser Strategie leiteten sich drei Fragestellungen hin-sichtlich der Koalitionspolitik, der Geschwindigkeit des Prozesses und des Projektes der Volksregierung ab. In Bezug auf die Koalitionspolitik vertrat die Kommunistische Partei die These des breiten Spektrums, was bedeutete, dass auch Parteien des Zen-trums in ihr Platz haben sollten. Außerdem hielt sie daran fest, dass der Übergang zum Sozialismus schrittweise vorangehen sollte. Bezüglich der Regierungsaufgaben Allendes forderten die Kommunisten eine moderate Politik und bestanden darauf, dass die Maßnahmen auf keinen Fall über das bei den Wahlen vorgelegte Programm hinausgehen dürften.

Die Sozialistische Partei ihrerseits hatte bei ihrer Vereinigung 1957 die These ei-ner revolutionären Front aufgestellt. Daraus ergab sich eine Politik der Beschrän-kung von Allianzen, da nur reine Arbeiterparteien zugelassen wurden. Aus diesem allgemeinen Rahmen entwickelten sich gewisse Thesen bezüglich der Geschwindig-keit des Übergangsprozesses zum Sozialismus. Eine demokratische Volksrevolution reichte demnach nicht aus, es war nötig, schneller zum Sozialismus zu gelangen, denn nur in dieser Art von Gesellschaft könnten die Probleme der Entwicklung ebenso gelöst werden wie das Streben nach Tugend und Glück. Die Sozialistische Partei wurde in ihrer Diagnose der Situation Chiles von der Dependenztheorie be-einflusst, die von einigen im Exil lebenden Brasilianern formuliert worden war, unter ihnen Theotonio dos Santos, Vania Bambirra, Emir Sader und Rui Mauro Marini. Diesen Analytikern zufolge musste die Revolution einen sozialistischen Charakter haben, da keine nationale Bourgeoisie existierte, die die »Volksparteien« bei der Ver-wirklichung einer nationalen demokratischen Revolution begleiten könnte. Daher lehnten sie die Charakterisierung Chiles als kapitalistische Wirtschaft mit halbfeu-dalen Enklaven ab, insbesondere vertreten durch die Kommunistische Partei und ih-re Intellektuellen, unter ihnen José Cademartori in seinem Buch Economía chilena (Chilenische Wirtschaft).

Diese Differenzen, vor allem jene, die die Reichweite der Maßnahmen der Volks-regierung betrafen, hatten großen Einfluss auf das Scheitern des Experiments. Der Hauptgrund war, dass sie die Chancen auf eine Bündniserweiterung erschwerten,

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

16

zumal die Aufgabe darin bestand, auf den Weg zum Sozialismus voranzuschreiten. Andererseits war es sehr schwierig, die Möglichkeit einer Ausweitung des Bünd-nisses in die Praxis umzusetzen, insbesondere aufgrund der Strukturen im christ-demokratischen Sektor. Die Positionen der extremen Linken innerhalb der Regie-rung erschwerten dies noch mehr. Wichtige Teile der Sozialistischen Partei glaubten nicht an die Notwendigkeit und die strategische Bedeutung einer Erweiterung des Bündnisses.

Der dritte und möglicherweise wichtigste Fehler war, das angesteuerte Ziel nicht einer erneuten Analyse unterzogen zu haben. Gerade im Hinblick auf die verschie-denen Vorstellungen, wie eine sozialistische Gesellschaft organisiert werden müss-te, wäre diese Analyse notwendig gewesen. Einige Teile der Koalition vertraten die Ansicht, der angestrebte Sozialismus solle sich vom Realsozialismus unterscheiden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig daran zu erinnern, dass die sechziger und der Beginn der siebziger Jahre zur poststalinistische Periode gehören, charakteri-siert durch die Rede Nikita Chruschtschows auf dem 20. Parteitag der KPdSU im Jahre 1956.

Ein weiterer Grund, der erneute Reflexionen über den Sozialismus erforderlich machte, hängt mit der strukturellen Wechselwirkung der in Chile existierenden Kräfteverhältnisse in jener Zeit zusammen. Der Hauptgrund ist die Existenz einer politischen Mitte, die die Aufgabe hatte, den Wahlausgang zu bestimmen, sobald sich die extremen Koalitionen in einer Pattsituation befanden. Die Mitte wurde zeit-weilig von beiden Seiten benötigt, so auch während der Regierungszeit von Salvador Allende. Die Unidad Popular sah sich gezwungen, die Koalition zu erweitern, um auf diese Weise ihr Überleben zu sichern und vor allem größere Kräfte für den weiteren Weg zu einer Mehrheit zu gewinnen. Diese schwierige Situation erforderte eine Ver-ständigung mit den Christdemokraten, die seit den sechziger Jahren die Hauptkraft der Mitte stellten. Es handelte sich hierbei um eine strategische Notwendigkeit. Für eine Einigung mit dieser Richtung, wäre es nötig gewesen, das sozialistische Ziel neu zu definieren, um statt einer Diktatur des Proletariats eine Demokratie der Arbeiter voranzubringen. Diese hätte ein Nachdenken über diverse Formen des sozialen Ei-gentums anstelle von ausschließlich kollektiven Eigentumsformen erfordert. Außer-dem (oder insbesondere) hätte diese der Reflexion über eine Demokratie pluralen Typs bedurft. Ohne diese Modifizierung des Sozialismus war es nicht denkbar, einen realen Block für die Veränderungen zu bilden. Selbst mit dieser Veränderung wäre es immer noch schwierig gewesen, denn in der Partei der Mitte gab es zwei oder drei Tendenzen. Einer ihrer Flügel stellte einen einflussreichen Sektor dar, der sich der

Tomás Moulián · Von den Koalitionsregierungen bis zur rechten Regierung

17

Rechten zuordnen ließ, vor allem durch seine antilinke und insbesondere antikom-munistische Färbung.

Die fehlende Neudefinition des Sozialismus trug zur Niederlage bei. Die Ursa-chen für diese waren jedoch offensichtlich vielschichtig. Wie bereits angesprochen, wirkten machtvolle externe Faktoren auf die Regierung Allendes ein, zusätzlich zu einem enormen inneren Druck. Insofern erklären die Fehler der Regierung nicht al-les, denn die durch Nixon in Bewegung gesetzte Verschwörung agierte zum großen Teil unabhängig von dem, was die Unidad Popular tat. Die Unmöglichkeit, die Be-ziehungen zwischen den inneren Kräften zu ändern, basierte auf dem Umstand, die Christdemokraten nicht von einer politischen Unterstützung der Regierung, und sei es nur eine taktische, überzeugen zu können. Dies ebnete den Verschwörernden Weg.

Die Voraussetzungen des Putsches

So wurden die Voraussetzungen für den Militärputsch geschaffen. Der politische Kampf hatte zu einem emotionalen Klima geführt, zu einer Atmosphäre des Hasses. Die Rechte sah die Unidad Popular und die Regierung als Teufelskräfte an, die Linke hielt ihre Gegner für Antipatrioten, für Kräfte, die sich »an den Imperialismus verkauft hatten«. Die Regierungsopposition rief im Namen der Verteidigung der Demokratie zum Putsch auf, trug aber im Verlauf der Verschwörung dazu bei, die verfassungs-mäßigen Institutionen zu untergraben. Für die linken Militanten entwickelte sich der Weg der Hoffnung zur Tragödie. Für viele Anhänger der Rechten und auch für einen Teil der Militanten und Sympathisanten der Christdemokraten wich das Gefühl von Gefahr einem Ausdruck von Freude. In anderen Bereichen war man der Ansicht, dass die Vorfälle das kleinere Übel darstellten, das akzeptiert werden müsse. Es hatte sich eine Gesellschaft entwickelt, die durch widersprüchliche und extreme Begeisterung oder durch einen tragischen Realismus gekennzeichnet war.

Der internationale Zusammenhang

Die Zeit zwischen 1964 und 1973 stellte in der Entwicklung des kalten Krieges eine Übergangzeit dar. Sie war gekennzeichnet vom Misserfolg des Reformprojektes, das Nikita Chruschtschow 1956 anlässlich des 20. Parteitages der KPdSU ankündigt hat-te. 1964 wurde er zum Rücktritt gezwungen und durch die Parteibürokratie ersetzt, an deren Spitze Leonid Krejnev stand. Wie zum Beweis, dass sich keine fundamen-talen Veränderungen vollzogen hatten, marschierten 1968 die sowjetischen Truppen

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

18

in der Tschechoslowakei ein, um zu verhindern, dass sich das Land einer neuen Art des Sozialismus zuwendete. In Kuba hatte sich die Revolution gefestigt, insbesondere 1961 nach dem militärischen Sieg gegen den Invasionsversuch in der Schweinebucht. 1962 verhängte Kennedy das Embargo gegen Kuba und später müssten die Kubaner wütend akzeptieren, dass die sowjetischen Raketen, die von ihrem Territorium aus ge-gen die USA gerichtet worden waren, abgebaut wurden. Die UdSSR verhandelte und erreichte die Entfernung der amerikanischen Raketen in der Türkei.

Die andere Großmacht, die USA, war über die Ermordung von John F. Kennedy 1963 und die seines Bruders Robert Kenndy 1968 entsetzt. Die USA waren insbeson-dere durch die Beendigung des Vietnamkrieges gezeichnet. 1973 begann der Trup-penrückzug, 1975 wurde das Friedensabkommen unterzeichnet. Ebenso prägte die von Nixon angeordnete Spionage in den Büros der Demokratischen Partei das Land. 1974 wurde Nixon zum Rücktritt gezwungen.

Gegen Ende der sechziger Jahre fand in Paris die große Studentenrevolte von 1968 statt. Die Bewegung begann in einer gerade eröffneten Universität, erfasste die gesamte akademische Welt und auch die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter. Frankreich wurde für etwa 20 Tage von einem Generalstreik lahmgelegt. De Gaulle rief nach langem Zögern Neuwahlen aus und gewann sie. Die zunächst erfolgreiche Studentenbewegung endete in einer unerwarteten Niederlage.

In Lateinamerika ereigneten sich in den zwei größten Ländern des Kontinents, Brasilien und Argentinien, Militärputsche. In Brasilien regierten die Militärs zwi-schen 1964 und 1985. In Argentinien war die Diktatur kurzlebiger. 1966 übernahm das Militär mit General Juan Carlos Ongania an der Spitze die Macht. Sie hielten sich bis 1973 unter der Führung des Generals Alejandro Lanusse. Später kam der Peronist Héctor Campora an die Macht, es wurde die Rückkehr des Führers Juan Domin-go Perón erwartet. Ebenfalls in Lateinamerika, in diesem Fall in Peru, übernahmen die Militärs unter der Führung des Generals Juan Velasco Alvarado die Regierung und führten wichtige Reformen im Agrar- und Bankenwesen ein. Als sie 1975 ver-suchten, den Einfluss der Massenmedien zu beschneiden, ereignete sich ein Gegen-putsch, geführt durch einen gemäßigteren Teil des Militärs unter General Francisco Morales Bermúdez. 1967 kam Ernsto Ché Guevara in Bolivien um. Dieses Ereignis kennzeichnete das Ende der ländlichen Guerillas, die sich in Peru, Venezuela und Guatemala formiert hatten. Lediglich in Kolumbien existierten sie weiter. Ab 1970 wurde das kapitalistische System weltweit von einer schweren Wirtschaftskrise ge-troffen. Dies beförderte Regierungsstile neoliberaler Prägung, die sich in Großbri-tannien mit Margaret Thatcher und in den USA mit Ronald Reagan etablierten.

Tomás Moulián · Von den Koalitionsregierungen bis zur rechten Regierung

19

II. Die unmittelbaren Ereignisse – Die terroristische Diktatur mit Plan

Die chilenische Diktatur kann, begrifflich streng gefasst, als terroristische Diktatur mit kapitalistischer Ausrichtung neoliberaler Prägung klassifiziert werden. Sie hatte zwei Phasen: Eine ist die der terroristischen Repression als solcher und die andere ist die der terroristischen Repression, in der zugleich Einfluss auf die Verfassung genommen wurde. Die erste dauerte vom Zeitpunkt des Putsches bis zur Volksabstimmung, bei der der autoritären Verfassung von 1980 zugestimmt wurde. Die zweite umfasste den Zeitraum zwischen dieser Zustimmung und der Abstimmung von 1988, die Pinochet verlor.

Um die Koalitionsregierungen besser zu verstehen, müssen zunächst die voran-gehenden Entwicklungen untersucht werden. Die mittelfristige Vorgeschichte, das Scheitern der Unidad Popular, wurde bereits analysiert. Nun muss die unmittelbare Vorgeschichte behandelt werden, die Militärdiktatur. Sie beginnt mit dem Militär-putsch am 11. September 1973, der im Namen der »Wiederherstellung der Demo-kratie« verübt wird. Nichtsdestotrotz werden beinahe von Anfang an vier Arten von Maßnahmen angewendet, die in eine andere Richtung weisen. Diese sind:

a) Abschaffung der demokratischen Institutionen und daran anschließende Ernennung eines Militärpräsidenten, Ausschaltung der beiden Kammern des Parlamentes, Zerstörung der Wahlregister und Verbot der politischen Parteienb) Aufbau repressiver Organe unter Anwendung einer Praxis der Inhaftierung und/oder Folter sowie des Verschwindenlassens von linken Militanten, die als gefährlich angesehen werdenc) Einsetzung von Institutionen zur Erarbeitung einer neuen Verfassung autoritären Typsd) Entwicklung eines sozioökonomischen Programms liberaler Prägung, das sich zu einem extrem liberalen Programm entwickelt und später unter dem Namen des Neoliberalismus bekannt wird

Die Veränderungen im Wirtschaftsbereich entwickelten sich allerdings nicht von An-fang an auf diese Art. Das erste Wirtschaftsprogramm der Diktatur stellte in gewisser Weise eine Fortsetzung der Entwicklungsprogramme dar, die bis zum Beginn der Re-gierung Frei Montalvas (1964–1970) verfolgt worden waren. Zu jener Zeit setzte man auf eine Wirtschaftsstruktur, die eine exportorientierten Kupfer- und Eisenerzminen-industrie sowie eine auf Großgrundbesitz basierende Entwicklung im Agrarsektor mit einer Industrialisierung verband, die speziell auf den Binnenmarkt ausgerichtete war

Opfer des Folterzentrums Villa Grimaldi.

Margarita Díaz Cordal · Filmografie

199

Filmografie

Das Filmkollektiv Cine Ojo filmte die landesweiten Massenproteste in Chile 1983. Zehn Jahre nach Beginn der Diktatur hatten linke Gruppen und Gewerkschaften zu organisierten Protesten aufgerufen, und das Kollektiv machte sich daran, diese zu do-kumentieren. Aufgrund der schwierigen politischen Lage fand die Endproduktion des Materials in Frankreich statt. Neben dem Film Chile, ich rufe deinen Namen nicht vergebens produzierte das Kollektiv noch einen 16mm Dokumentarfilm (Exilio 1983) und zwei Videos (Bajo estado de sitio 1987 und Días de octubre 1990). 1987 gab sich der Regisseur Hernán Castro als Verantwortlicher für das Kollektiv zu erkennen.

Patricio Guzmán ist in Santiago de Chile geboren. Von 1960 bis 1965 studiert er Theater, Geschichte und Philosophie an der Uni-versität von Chile. 1966 reist er nach Spanien, um an der Escuela Oficial de Cinematografía in Madrid Filmregie zu studieren. Er widmet seine Karriere dem Dokumentarfilm. Seine Filme werden beständig auf internationalen Festivals ausgewählt und prämiert.

Von 1972 bis 1979 arbeitet er an den Dreharbeiten und an der Montage der »Batalla de Chile«, eine fast 5-stündige Trilogie über die Regierung Allendes und ihren Sturz. Ende 1973 verlässt er Chile und lebt in Kuba, dann in Spanien und danach in Frank-reich, wo er weitere Dokumentarfilme produziert: »En Nombre de Dios« (1985) über die Verteidigung der Menschenrechte der chilenischen Kirche gegen Pinochet. Die Dreharbeiten werden mit der Festnahme des Toningenieurs und des Regieassistenten durch das Militär beendet. Patricio Guzmán kehrt nach Madrid zurück, wo er den Film 1986 beendet. 1992 dreht er »La Cruz del Sur« über die volkstümliche Religiosität

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

200

Lateinamerikas. 1997 kehrt er zum zweiten Mal nach dem Militärputsch nach Chile zurück, um »La Memoria Obstinada« über die politische Amnesie seines Landes zu drehen. 2001 filmt er »El Caso Pinochet«, eine Dokumentation über den Prozess ge-gen den ehemaligen Diktator in London. 2002 dreht er »Madrid«, eine poetische Reise ins Herz der Stadt, 2004 ein sehr persönliches Portrait von »Salvador Allende«. 2005 filmt er »Mon Jules Verne«. Von 2006 bis 2010 arbeitet er am Filmbuch, der Entwick-lung und den Dreharbeiten von »Nostalgie de la Lumière« und fünf Kurzfilmen in der Wüste Atacamas, in der er die historische Erinnerung mit der Archäologie und der Astronomie verknüpft. Patricio Guzmán unterrichtet Dokumentarfilm in seinen Seminaren in Europa und Lateinamerika und präsidiert das 1995 von ihm gegründete Dokumentarfilm Festival in Santiago de Chile (Fidocs).Heute lebt er mit seiner Frau Renate Sachse, Mitarbeiterin und Produzentin seiner Filme, in Frankreich. Webseite von Patricio Guzmán: www.patricioguzman.com.

Filmografie (Auswahl):2010 Nostalgia de la Luz, 90 min 2005 Mi Julio Verne, 58 min 2004 Salvador Allende, 100 min 2002 Madrid, 41 min2001 El Caso Pinochet, 108 min 1999 Isla de Robinson Crusoe, 42 min 1997 Chile, la Memoria Obstinada, 58 min 1995 Pueblo en Vilo, 52 min 1992 La Cruz del Sur, 75 min 1987 En Nombre de Dios, 95 min 1983 La Rosa de los Vientos, 90 min (1983) 1972–79 La Batalla de Chile I-II-III, 272 min 1972 El Primer Año, 90 min

Walter Heynowski, geboren 1927 in Ingolstadt, ist Filmemacher. Bei Kriegsende 1945 gerät er, mit gerade erst 17 Jahren, als Luft-waffenhelfer in Kriegsgefangenschaft. Nach einem Studium, zu-nächst der katholischen Theologie, später der Volkswirtschafts-lehre, arbeitet er bei verschiedenen Zeitungen, darunter auch der bekannten Satirezeitschrift Frischer Wind (später Eulenspiegel),

bei der er von 1949 bis 1953 als Chefredakteur tätig ist. Danach wechselt er zur DEFA, wo er seinen langjährigen Regiepartner Gerhard Scheumann kennenlernt, mit dem er 1969 das H&S Studio gründet. Die Dokumentarfilme, die hier entstehen, zählen zu den national und international bekanntesten filmischen Werken der DDR. Für ihre

Margarita Díaz Cordal · Filmografie

201

engagierten Dokumentationen, deren Kernmotive die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und dem kapitalistischen Imperialismus sind, erhalten die Filme-macher zahlreiche Auszeichnungen, ernten aber auch beißende Kritik. Vor allem westliche Stimmen werfen ihnen ideologische Starrheit und grobe Polemik und Agita-tion vor.Walter Heynowski war neben seiner filmischen Tätigkeit auch Vorstandsmitglied des Verbandes Film & Fernsehschaffender in der DDR von 1967 bis 1990 und ist seit 1972 ordentliches Mitglied der Akademie der Künste. Heynowski lebt in Berlin.

Filmografie (Auswahl)

1989 Der Mann an der Rampe, 13 min (zusammen mit Gerhard Scheumann)1981 Die Angkar, 89 min (zusammen mit Gerhard Scheumann)1974 Psalm 18, 6 min (zusammen mit Gerhard Scheumann)1968 Piloten im Pyjama, 4-teilige Serie, insgesamt 311 min (zusammen mit Gerhard Scheumann)1966 Der lachende Mann – Bekenntnisse eines Mörders, 66 min (zusammen mit Gerhard Scheumann)1961 Aktion J, 81 min

Gerhard Scheumann, geboren 1930 in Ortelsburg in Ostpreu-ßen, war Dokumentarfilmer. Nach seinem Abitur 1949 beginnt er seine journalistische Laufbahn in der Kreisredaktion des Thürin-ger Volks, bevor er 1953 zum Berliner Rundfunk wechselt. 1962 fängt er seine Laufbahn beim deutschen Fernsehfunk an, wo er sich vor allem durch die Initiierung der Sendung Prisma hervor-

tut, die sich mit den innenpolitischen Problemen der DDR auseinandersetzt. Ab 1965 arbeitet Scheumann verstärkt mit dem Filmemacher Walter Heynowski zusammen, mit dem er 1969 das H&S Studio gründet. Dieses wird allerdings 1982 in die DEFA reintegriert, nachdem Scheumann auf dem IV. Kongress des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR offene Kritik an der Medienpolitik der SED-Führung geübt hatte. Ab 1967 ist Scheumann Vorstandsmitglied des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden in der DDR, in dessen Präsidium er von 1972 bis 1977 sitzt. 1988 tritt er aus dem Verband aus. Scheuman ist ordentliches Mitglied der Akademie der Künste der DDR und von 1986 bis 1990 Sekretär der Sektion darstellende Künste. Von 1989 bis zu seinem Tod im Jahr 1998 lehrt er als Professor an der Hochschule für Film und Fernsehen »Konrad Wolf« in Potsdam Babelsberg.

Filmografie

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

202

Filmografie (Auswahl)1989 Der Mann an der Rampe, 13 min (zusammen mit Walter Heynowski)1981 Die Angkar, 89 min (zusammen mit Walter Heynowski)1974 Psalm 18, 6 min (zusammen mit Walter Heynowski)1968 Piloten im Pyjama, 4-teilige Serie, insgesamt 311 min (zusammen mit Walter Heynowski)1966 Der lachende Mann – Bekenntnisse eines Mörders, 66 min (zusammen mit Walter Heynowski)

Marianne Teleki ist Regisseurin und Produzentin. Sie wuchs in Kalifornien, Mexico und Brasilien auf. Bevor sie als Regisseurin tätig wurde, arbeitete sie als Produzentin für das chilenische Nati-onalfernsehen. Für ihren Debütfilm Special Circumstances wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem für den besten Doku-mentarfilm auf dem »Berkeley Video & Film Festival« 2007, dem

»Festival de Cine Social y de los Derechos Humanos CINE OTRO« in Valparaíso 2008 sowie dem »Festival Internacional de Cine Digital« in Viña del Mar in Chile 2008.

Margarita Díaz Cordal · Filmografie

203

BiografischesCarla Azócar ist diplomierte Sozialanthropologin und forscht am interdisziplinären Forschungslabor »Soziale Praktiken und Subjektivität« (Prácticas Sociales y Subjetividad – LaPSoS) an der Universität Chile. Ihr aktuelles Forschungsprojekt untersucht die Lesegewohnheiten in Chile. Sie war studentische Hilfskraft am Forschungszentrum zur Untersuchung von sozialen Strukturen

der Universität Chile. Ihre Forschungsinteressen sind: Soziale Strukturen und Un-gleichheit, soziale Unruhen und Politisierung, Subjektivität und kultureller Konsum.

Margarita Díaz Cordal verließ Chile nach dem Putsch 1973 und lebte zehn Jahre in Westberlin, wo sie Psychologie an der Freien Universität Berlin (FU) studierte. In Berlin lernte sie Psychoanaly-tiker kennen, die über Erfahrungen mit dem Holocaust und über Behandlungen von direkten Opfern und Angehörigen aus der zweiten Generation berichteten. Nach ihrer Rückkehr nach Chile

1983 arbeite sie als klinische Psychologin in der Familientherapie. Sie ist eine der Gründerinnen des Instituto Chileno de Terapia Familiar. Seit 1989 arbeitet sie am Insti-tuto Latinoamericano de Salud Mental y Derechos Humanos (ILAS), wo sie bis heute Patienten behandelt, die von der Repression der Militärdiktatur betroffen sind. Marga-rita Diaz Cordal ist Psychoanalytikerin und Mitglied des chilenischen Verbands der Psychoanalytiker. Es gelang ihr, aus der Psychoanalyse ein theoretisch-klinisches Mo-dell zu schaffen, dass der soziopolitischen Entstehung von Traumata Rechnung trägt. Aktuell ist sie Direktorin des Magisterstudiengangs »Trauma und relationale Psycho-analyse«, der von ILAS und der Universidad Alberto Hurtado gemeinsam angeboten wird. Ziel dieses Studienprogramms ist es, den neuen Generationen von praktischen Ärzten die gesammelten Erfahrungen aus der Menschenrechtsarbeit zu vermitteln.

Evelyn Hevia Jordán ist Psycholgin und absolvierte ihr Studium an der Universidad de Artes y Ciencias Sociales (ARCIS); an der Universität Chile hat sie ein Diplom in Qualitativen Methoden der psychosozialen Forschung erworben. Aktuell schreibt sie ihre Magisterarbeit über die verschiedenen Wahrnehmungen in den

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

204

Erinnerungen der Überlebenden des Folterlagers Villa Grimaldi. Seit 2010 arbeitet und forscht sie für das Archivo Oral de Villa Grimaldi, eine Organisation, die die Er-zählungen sowie die Systematik der Audioführungen in der Villa Grimaldi erarbeitet hat. Ferner hat sie in anderen Erinnerungs- und Menschenrechtsorganisationen wie Paine, un lugar para la memoria und Tres y Cuatro Álamos mitgeabreitet. Momentan arbeitet sie an der Fakultät für Psychologie der Universidad Alberto Hurtado, wo sie Kurse über qualitative und soziale Erinnerungsforschung gibt. Sie publizierte zusam-men mit Isabel Piper Espacio y Recuerdo. Archipiélago de memorias en Santiago de Chile (Chile 2010).

Alberto Mayol ist Forscher, Essayist und wissenschaftlicher Mit-arbeiter am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Chile sowie Wissenschaftler im Forschungslaboratorium zu »Sozialen Praktiken und Subjektivität« (Prácticas Sociales y Subjetividad – LaPSoS). Er arbeitet am Forschugszentrum zur Untersuchung von sozialen Strukturen und ist dort Mitglied des Publikations-

beirats. Mayol ist Soziologe und hat seinen Doktor in Soziologie und Politologie an der Universidad Complutense von Madrid gemacht. Bekannt ist er durch seine Forschun-gen zur Studierendenbewegung 2011 geworden. Zwei seiner Bücher, die im Jahr 2012 veröffentlicht wurden, beeinflussten nachhaltig die öffentliche Debatte zu den politi-schen und kulturellen Veränderungen, welche die sozialen Bewegungen seit 2011 in Chile angestoßen haben. Zu seinen Publikationen und Forschungsinteressen zählen eine Soziologie der Kultur, der Politik, der ethischen Wirtschaft sowie eine Soziologie der Kunst.

Tomás Moulian Emparanza, geboren am 21. September 1939, ist Soziologe, politischer Wissenschaftlicher und anerkannter Analyst der chilenischen Gesellschaft in der Postdiktatur. Er war einer der ersten Schüler der katholischen Universität Escuela de Sociología de la Pontificia Universidad Católica (PUC) und war dort als Professor beschäftigt. Geforscht hat er ferner in Belgien

und Paris und war Direktor der soziologischen Fakultät und Rektor der Universidad de Artes y Ciencias Sociales (ARCIS); aktuell ist er Direktor des Verlags ARCIS. Von 1990–1991 war er stellvertretender Direktor der Facultad Latinoamericana de Ciencias Sociales (FLASCO) in Chile, ferner unterrichtete er in den Einrichtungen von FLAS-CO in Ecuador und Brasilien. Während der Unidad Popular war er Mitglied der

Margarita Díaz Cordal · Filmografie

205

MAPU Obrero Campesino. Nach der Rückkehr der Demokratie identifizierte er sich als Parteiunabhängiger mit der Kommunistischen Partei Chiles, die ihn zum Präsi-dentschaftskandidaten 2005 ernannte. Auf die Kandidatur verzichtete er jedoch zu-gunsten des Humanisten Tomás Hirsch. Zu seinen bekanntesten Werken gehören: El consumo me consume (1999), Socialismo del Siglo XXII: La quinta vía (2000), En la brecha. Derechos humanos, críticas y alternativas (2002), Fracturas: de Pedro Aguirre Cerda a Salvador Allende (1938–1973) (2006), Contradicciones del desarrollo político chileno, 1920–1990 (2009) und Chile actual. Anatomía de un mito (1997).

Fernando Pairican hat seinen Bachelor und Magister im Fach-bereich Amerikanische Geschichte an der Unverisität in Santiago de Chile abgelegt. Sein Hauptinteresse gilt den heutigen Kämpfen und Problemen der Mapuche mit dem Fokus auf ihre politische Bewegung. Darüber hat er bereits einige Artikel zur aktuellen Geschichte veröffentlicht: »La Coordinadora Arauco-Malleco y

los nuevos movimientos de resistencia Mapuche en el Chile de la Concertación 1997–2009« (CLACSO 2011); »Sembrando ideología, El Consejo de Todas las Tierras en la transición de Aylwin. 1990–1994«, in der Zeitschrift Sudhistoria (México 2012); »Rebelión en Wallmapu. Antecedentes de un levantamiento indígena en el Chile actu-al« und »Aun creemos en los sueños«, in: Le Monde diplomatique (chilenische Ausga-be 2013). Seit 2010 ist er Kolumnist bei der Zeitung The Clinic.

María José Reyes ist Akademikerin am Institut für Psychologie der Universität Chile. Aktuell ist sie Koordinatorin des interdiszi-plinären Forschungsprogramms »Subjektivität, Entwicklung und Qualität im sozialen und persönlichen Leben« und verantwortli-che Leiterin des Forschungsverbunds »Alltagsleben im Not-stand«, die an der Universität Chile angesiedelt sind. Ihre For-

schungsinteressen gelten der Konstruktion sozialer Erinnerungen, besonders der sozialen Erinnerungen und des Alltagslebens, dem intergenerationellen Dialog und der Erinnerungspolitik.

Biografisches

Margarita Díaz Cordal · Filmografie

207

Filmrechte

Nostalgia de la Luz – Nostalgie des Lichts: Patricio GuzmánSpecial Circumstances: Marianne TelekiChile, ich rufe deinen Namen nicht vergebens: Collectivo Cine-Ojo Der Fall Pinochet: Patricio GuzmánIm Feuer bestanden: Lizenziert durch PROGRESS Film-Verleih GmbH/DEFA-Stiftung

Lizenznutzung der DVDs mit freundlicher Genehmigung von Cinemediafilm GmbH & Co. KG, Hamburg.

BildnachweisSeiten 6–7, 66–67, 148–149: Giribás José/Süddeutsche Zeitung Photo; Seiten 56–61, 62 (kleines Foto links unten), 64–65, 194–195: Creative Commons, Movimiento contra la Tortura Sebastián Acevedo; Seiten 62–63: David Berkowitz, Creative Com-mens; Seiten 84–85: Creative Commons, Fotograf Davidiohr Bueso; Seiten 86–87, 152–153, 206–207: AFP/Getty Images; Seiten 88–89: LatinContent/Getty Images; Seiten 150–151: CPCH (Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Chile); Seiten 197–203: bei den Autoren.

Bildauswahl und Bildtexte: Karl-Heinz DellwoAuswahl und Redaktion der spanischsprachigen Texte: Pavel Eichin und Evelyn Hevia JordánInhaltliche Beratung und Redaktion: Sherin Abu Chouka

ImpressumBibliothek des Widerstands // Band 30 // Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile // 1. Auflage 2013 // © für die deutschsprachige Ausgabe: LAIKA-Verlag // Hamburg // Alle Rechte vorbehalten // www.laika-verlag.de // DVD-Layout: Martin Bergt, Hamburg // DVD-Authoring and Subtitling: B.O.A. VIDEOFILMKUNST München // Logo und Coverentwurf: Maja Bechert, Hamburg // Satz: Peter Bisping // Druck: Freiburger Graphische Betriebe // 2013 // ISBN: 978-3-942281-66-9

Impressum

Wir werden die Sieger sein!

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

210

Inhalt der DVDsDVD 1Nostalgia de la Luz – Nostalgie des LichtsFrankreich/Chile/Deutschland 2010 · 90 min · Regie: Patricio Guzmán

Special CircumstancesChile/USA 2006 · 72 min · Regie: Marianne Teleki

Chile, ich rufe deinen Namen nicht vergebensChile 1983 · 82 min · Regie: Collectivo Cine-Ojo

DVD 2Der Fall PinochetFrankreich/Belgien/Spanien 2001 · 109 min · Regie: Patricio Guzmán

Im Feuer bestandenDDR 1978 · 73 min · Regie: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

Mit Texten von Carla Azócar, Margarita Díaz Cordal, Evelyn He-via Jordán, Alberto Mayol, Tomás Moulian Emparanza, Fernando Pairican und María José Reyes.

Mit den FilmenNostalgia de la Luz – Nostalgie des Lichts Frankreich/ Chile/Deutschland 2010 · 90 min · Regie: Patricio Guzmán

Special Circumstances Chile/USA 2006 · 72 min Regie: Marianne Teleki

Chile, ich rufe deinen Namen nicht vergebens Chile 1983 · 82 min · Regie: Collectivo Cine-Ojo

Der Fall Pinochet Frankreich/Belgien/Spanien 2001 109 min · Regie: Patricio Guzmán

Im Feuer bestanden DDR 1978 · 73 min Regie: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann

Bibliothek des Widerstands · Band 30ISBN: 978-3-942281-66-9 · 29,90 Euro LAIKA VERLAG

BIBLIothEK DES WIDERStANDS

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

in Kooperation mit

Bib

lioth

ek d

es W

ider

stan

dsB

and

30

Pos

tdik

tatu

r in

Chi

le

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

Mit Texten von Carla Azócar, Margarita Díaz Cordal, Evelyn He-via Jordán, Alberto Mayol, Tomás Moulian Emparanza, Fernando Pairican und María José Reyes.

Mit den FilmenNostalgia de la Luz – Nostalgie des Lichts Frankreich/ Chile/Deutschland 2010 · 90 min · Regie: Patricio Guzmán

Special Circumstances Chile/USA 2006 · 72 min Regie: Marianne Teleki

Chile, ich rufe deinen Namen nicht vergebens Chile 1983 · 82 min · Regie: Collectivo Cine-Ojo

Der Fall Pinochet Frankreich/Belgien/Spanien 2001 109 min · Regie: Patricio Guzmán

Im Feuer bestanden DDR 1978 · 73 min Regie: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann

Bibliothek des Widerstands · Band 30ISBN: 978-3-942281-66-9 · 29,90 Euro LAIKA VERLAG

BIBLIothEK DES WIDERStANDS

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

in Kooperation mit

Bib

lioth

ek d

es W

ider

stan

dsB

and

30

Pos

tdik

tatu

r in

Chi

le

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

Mit Texten von Carla Azócar, Margarita Díaz Cordal, Evelyn He-via Jordán, Alberto Mayol, Tomás Moulian Emparanza, Fernando Pairican und María José Reyes.

Mit den FilmenNostalgia de la Luz – Nostalgie des Lichts Frankreich/ Chile/Deutschland 2010 · 90 min · Regie: Patricio Guzmán

Special Circumstances Chile/USA 2006 · 72 min Regie: Marianne Teleki

Chile, ich rufe deinen Namen nicht vergebens Chile 1983 · 82 min · Regie: Collectivo Cine-Ojo

Der Fall Pinochet Frankreich/Belgien/Spanien 2001 109 min · Regie: Patricio Guzmán

Im Feuer bestanden DDR 1978 · 73 min Regie: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann

Bibliothek des Widerstands · Band 30ISBN: 978-3-942281-66-9 · 29,90 Euro LAIKA VERLAG

BIBLIothEK DES WIDERStANDS

Postdiktatur und soziale Kämpfe in Chile

in Kooperation mit

Bib

lioth

ek d

es W

ider

stan

dsB

and

30

Pos

tdik

tatu

r in

Chi

le