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Wissenschaft & ForschungWissenschaft & ForschungWissenschaft & Forschung
ORION 382 11
Galaxienforschung: Ein Rätsel beschäftigt
die Wissenschaft
Wie wachsen «tote»Galaxien?� Von Sandro Tacchella
In den letzten fünf Jahren ist es dank grossflächiger Him-melsuntersuchungen möglich geworden, die Entwicklungvon Galaxien zu beobachten und zu beschreiben, indemman Galaxien verschiedenen Alters untersucht. Wenn mandie Grösse von «toten» Galaxien 10 Milliarden Jahre in derVergangenheit mit denen von heute vergleicht, stellt manfest, dass diese einen Faktor ~4 gewachsen sind, obwohl inihnen keine neuen Sterne mehr entstanden sind. Wie ist dasmöglich?
Da Licht sich mit einer endlichenGeschwindigkeit (3 x 108 Meter proSekunde) ausbreitet, sehen wir ent-fernte Objekte immer in der Vergan-genheit. Zum Beispiel ist die Sonneca. 8 Lichtminuten von uns entfernt,d. h., dass wir die Sonne so sehen,wie sie vor 8 Minuten ausgesehenhat. Unsere Nachbarsgalaxie «An-dromeda» liegt 2.5 Millionen Licht-jahre von uns entfernt, wir schauenalso 2.5 Millionen Jahre in die Ver-gangenheit. Im Vergleicht mit dem
Alter des Universums (13.7 Milliar-den Jahre), sind diese 2.5 MillionenJahre natürlich eine sehr kurze Zeit-dauer. Wir können heute relativegut Galaxien mit einer Rotverschie-bung z = 2 (10 Milliarden Jahre inder Vergangenheit) beobachten,und es wurden sogar Kandidatenmit einer Rotverschiebung z ~ 10 ge-messen (siehe Orion 2/13).Man kann sich nun denken, dass wirmit grossen Teleskopen relativ ein-fach die Evolution der Galaxien stu-
dieren können: Einfach Aufnahmenvon weit entfernten Galaxien ma-chen, und mit den heutigen verglei-chen. Weit gefehlt! Das Ganze ist lei-der (oder zum Glück für junge For-schende) etwas komplizierter. Esgibt zwei Hauptprobleme. Erstens,angenommen wir beobachten eineGalaxie in grosser Entfernung, alsoweit in der Vergangenheit, wie kön-nen wir wissen, zu welcher heutigenGalaxie diese sich entwickeln wird?Es gibt ja Milliarden Galaxien heuteund auch in der Vergangenheit.Zweitens, Beobachtungen bei hoherRotverschiebung (z > 1) sindschwierig: Viele der lichtschwachenGalaxien in unserer Umgebungkönnten wir bei hoher Rotverschie-bung gar nicht detektieren (sog.Malmquist Bias).
Eine riesige Datenmenge
Dank besseren Instrumenten amHubble Weltraumteleskop oderdem Very Large Telescope in Chileist es in den letzten Jahren gelun-gen, eine grosse Anzahl von Gala-xien mit hoher Rotverschiebung zufinden und zu untersuchen. COS-MOS – Cosmological Evolution Sur-vey – ist ein Survey, welches eineFläche von 1.4° x 1.4° am Himmeluntersucht (http://www.astro.ethz.ch/research/Projects/COSMOS). Dabeiwurde dieses Stück Himmel mit vie-len verschiedenen Teleskopen foto-grafiert (Hubble, Spitzer, GALEX,XMM, Chandra, Subaru, VLA,UKIRT, CFHT, ...), um Galaxien inallen Wellenlängen (Radio, Infrarot,Optisch, UV und Röntgen) beobach-ten zu können. Es wurden über 2Millionen Galaxien detektiert, ver-teilt über gut 75% des Alters desUniversums. Involviert sind über100 Forscher von über ein Duzendastronomischen Instituten, darun-ter auch das Institut für Astronomieder ETH Zürich mit Prof. SIMON LILLY
und Prof. MARCELLA CAROLLO. Mit die-sen und auch anderen Datensätzenist es möglich, statistisch fundierteAussagen über die Galaxien in derVergangenheit zu machen.
Ein neuer Lösungsansatz
Betrachten wir die lokalen Gala-xien, so finden wir zwei Populatio-nen: Die aktiven, Stern-formendenGalaxien (diese erscheinen blau, dasie viele massive, kurzlebige Ster-nen haben, die viel Licht im blauenund UV-Bereich emittieren) und
Abbildung 1: Vereinfachtes Schema zur Entwicklung von Galaxien in einem Farbe-
Masse-Diagramm. Sprialgalaxien erscheinen hauptsächlich blau, da sie viele junge,
massive Sterne machen, die viel Licht im UV emittieren. Durch ein einschneidendes
Ereignis wird die Sternentstehung in der Galaxie gestoppt, und die Galaxie wird mit der
Zeit immer röter (dieser Prozess nennt man «Quentching» und kann bis zu einer
Milliarde Jahre dauern). Die meisten roten, «toten» Galaxien sind elliptisch.
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1/2014 Name Instrument Beob.Barnes H.Bissegger M.F. DublerFriedli T.Friedli T.Früh M.Möller M.Mutti M.Niklaus K.Schenker J.Suter E.Tarnutzer A.Weiss P.Willi X.Zutter U.
Refr 76Refr 100Refr 115Refr 40Refr 80Refl 300Refr 80Refr 80Refr 126Refr 120Refr 70Refl 203Refr 82Refl 200Refr 90
1411552138524814212
2/2014 Name Instrument Beob.Barnes H.Bissegger M.Friedli T.Friedli T.Früh M.Menet M.Möller M.Mutti M.Schenker J.Suter E.Tarnutzer A.Trefzger C.Weiss P.Willi X.Zutter U.
Refr 76Refr 100Refr 40Refr 80Refl 300Refr 102Refr 80Refr 80Refr 120Refr 70Refl 203Refr 150Refr 82Refl 200Refr 90
8444912394410111414
Swiss Wolf Numbers 2014Marcel Bissegger, Gasse 52, CH-2553 Safnern
Beobachtete, ausgeglichene und prognostizierte Monats-mittel der WOLFSCHEN Sonnenfleckenrelativzahl
passive, tote Galaxien (erscheinenrot, da alle blauen Sterne ver-schwunden sind und sie keineneuen mehr produzieren). Wennman nun die Struktur der Galaxienanschaut, stellt man fest, dass diemeisten Stern-formenden GalaxienSpiralgalaxien und die passiven el-liptische Galaxien sind (siehe Abb.1). Wenn man nun die Population vonGalaxien bei Rotverschiebung z~1untersucht, stellt man fest, dass esviel mehr Stern-formende Galaxiengegeben hat. Das hat hauptsächlichdamit zu tun, dass es viel mehr kaltesGas innerhalb dieser Galaxien vor-handen war, welches der Treibstofffür die Sternentstehung bildet. ImAllgemeinen nimmt man an, dassder Stern-formende Zustand der«normale» Zustand einer Galaxie
ist, und erst ein einschneidendes Er-eignis (wie der Zusammenprall miteiner anderen Galaxie) die Ster-nentstehung in der Galaxie stoppt(«Quenching»; Abb. 1). Die Galaxiewird anschliessend keine Sternemehr formen, sondern für immer«tot» sein und dies nach aktuellemErkenntnisstand auch bleiben. Man hat bereits vor geraumer Zeitherausgefunden, dass die passiven,toten Galaxien vor 10 MilliardenJahren viel kleiner (ca. einen Faktor4) und kompakter als die heutigensind (siehe Abb. 2). Die Frage istalso: Wie und warum wachsen diesetoten Galaxien? Die herkömmlicheMeinung ist (z. B. NEWMAN et al.
2012), dass ein physikalischer Pro-zess diese passiven Galaxien ver-grössert bzw. aufbläht, weil dieseGalaxien selber ja keine neuenSterne mehr formen. Ein möglichersolcher Prozess ist das zusammen-prallen mit mehreren kleineren Gala-xien («merging»), welche Masse inden Aussenbereichen dieser Gala-xien ablagern. In einer jüngst veröf-fentlichten Arbeit haben Prof. CA-ROLLO und Mitarbeiter (CAROLLO et al.2013) der ETH Zürich einen neuenLösungsansatz vorgestellt: Nichtjede passive Galaxie wächst ein-zeln, sondern nur der Durchschnittder ganzen Population! Die Arbeitberuht auf einer Analyse von
Abbildung 2: Das
Wachstum der pas-
siven, toten Galaxien
mit kosmischer Zeit.
Rechts ist Vergangen-
heit, links Gegenwart.
Von Rotverschiebung
z = 2 (ca. 10 Milliarden
Jahre in der Vergan-
genheit) bis heute (Rot-
verschiebung z=0)
wachsen diese
Galaxien um einen
Faktor 4.
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l. 2012
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Dark-Sky Switzerland ist ernsthaftbesorgt über die wiederholte Be-leuchtung in den Alpen für touristi-sche und spektakuläre Zwecke.Diese gefährdet die Umwelt überelektromagnetische Strahlung durchLicht, mitunter ganze Naturschutzge-biete. Aus diesem Grund lanciertDark-Sky Switzerland eine Petitionan die Schweizer Regierung, ver-treten durch die Bundesrätin DORIS
LEUThARD, damit diese Lichter endlichgeregelt werden. Diese Petitionsteht allen zur Unterschrift offen.helfen Sie uns, die Natur in den Al-pen zu schützen! Verhindern wirgemeinsam die Zerstörung von Le-bensräumen. Die Petition wird vonverschiedenen Institutionen unter-stützt, darunter die SchweizerischeAstronomische Gesellschaft SAG,die International Dark-Sky Associa-tion, Cielobuio, die Società Astro-
Petition: «Zur Erhaltung der Nacht im Alpenraum» nomica Ticinese und Mountain Wil-derness. (Dark-Sky Switzerland)
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Abbildung 1: Kein Alpenglühen, sondern Kunstlicht!
http://www.darksky.ch/
~100’000 Galaxien im COSMOS-Feld mit einer Rotverschiebung zwi-schen 0.2 und 1.0. Man hat Galaxienmit einer Masse zwischen 1010.5 und1011 Sonnenmassen herausgesucht,und deren Grössen gemessen. Manhat dann die Anzahl dieser Galaxienmit verschiedenen Grössen pro Vo-lumen berechnet (siehe Abb. 3).Man sieht, dass die Anzahl der klei-nen, passiven Galaxien (< 2.5 kpc)pro Volumen sich kaum ändert mitder Zeit (von z=1 bis z=0.2), aber dieAnzahl der grossen Galaxien sichverdreifacht. Wenn man nun denDurchschnitt der Population alsFunktion der Zeit berechnet, siehtman, dass dieser natürlich zunimmt,aber nicht weil einzelne kleinereGalaxien wachsen, sondern weilneue, grössere dazu kommen.Woher kommen diese neuen, passi-ven Galaxien? Wenn man die Ratedieser neuen Galaxien berechnet,erhält man die gleiche Rate, wie diefür das Quenching, also der Um-wandlung von Sterne-formende inpassive Galaxien. Galaxien, die spä-ter aufhören Sterne zu bilden unddann passiv werden, sind natürlichgrösser (da sie länger und damitmehr Sterne produziert haben) alsdie durchschnittliche Populationder passiven Galaxien, die ja bereitsfrüher aufgehört hat, Sterne zu for-men. Das heisst, dass das Wachs-tum der toten Galaxien durch dashinzustossen von grösseren Gala-
xien erklärt werden kann, welchegerade erst «gestorben» sind. Derultimative Test für dieses Szenarioist der sogenannte Alterstest: Manerwartet, dass die kleinsten, kom-paktesten Galaxien auch die älte-sten sind. An einem solchen Testwird momentan gearbeitet...
z Sandro TacchellaTrottenstrasse 72CH-8037 Zürich
Abbildung 3: Das Histogramm zeigt für verschiedene Grössen, wie viele solche pas-
sive Galaxien (mit Massen zwischen 1010.5 und 1011 Sonnenmassen) pro Volumen bei
einer gewissen Rotverschiebung vorhanden sind. Die Rotverschiebung ist mit Farben
gekennzeichnet. Man sieht, dass Anzahl der kleinen Galaxien (< 2.5 kpc) pro Volumen
konstant bleibt, aber die Anzahl der grossen (> 2.5 kpc) Galaxien sich verdreifacht.
Daher wächst die durchschnittliche Grösse der passiven Galaxien mit der Zeit an.
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al. 2013
Quellenz NEWMAN et al. 2012 ApJ 746, 162:
z http://adsabs.harvard.edu/abs/2012ApJ...746..162N
z CAROLLO et al. 2013 ApJ 773, 112:
z http://adsabs.harvard.edu/abs/2013ApJ...773..112C
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